Superhirn: Londons Taxifahrer dienen der Forschung
Londons „black cab”-Fahrer, die für ihre Fähigkeit bekannt sind, Routen zu planen, indem sie Tausende von Straßen der britischen Hauptstadt aus dem Gedächtnis abrufen, spielen jetzt eine entscheidende Rolle in der Demenzforschung. Das Taxi Brains Project, das von der Spatial Cognition Group am UCL betrieben wird, analysiert die Gehirne von Taxifahrern mittels MRI-Scans, während sie Routen durch die 9-Millionen-Metropole planen.
Mit einem vergrößerten Hippocampus, dem Teil des Gehirns, der bei der Alzheimer-Krankheit früh schrumpft, sind lizenzierte Taxifahrer eine einzigartige Probandengruppe für diese Krankheit. Schon vor Jahren wurde in einer Studie nachgewiesen, dass Londoner Taxifahrer über einen größeren Hippocampus verfügen, weil sie in drei bis vier Jahren für „The Knowledge” (das Wissen, den Stoff für ihren Taxischein) tausende von Straßen und wichtigen Gebäuden auswendig lernen müssen.
Taxifahrer arbeiten täglich im laufenden Betrieb eine Vielzahl unterschiedlicher Routen im Kopf aus. Sie müssen sich auch an veränderbare Umstände wie Wetter, Baustellen und launische Kunden anpassen. Diese Planung aus dem Gedächtnis und die Fähigkeit, so viele Details zu behalten, haben einen deutlich messbaren Einfluss auf das Gehirn der Taxifahrer. Damit ist ihr Hippocampus, der auch an der räumlichen Navigation beteiligt ist, größer ist als bei Nicht-Taxifahrern.
Der Hippocampus ist unerlässlich, um Dinge in der Erinnerung zu speichern, z. B. wer am Telefon war oder was man seiner Einkaufsbestellung hinzufügen musste. Alzheimer-Patienten leiden jedoch unter einer fortschreitenden Schrumpfung des Hippocampus, was für den Verlust des Kurzzeitgedächtnisses verantwortlich ist – eines der Hauptsymptome bei Alzheimer.
Die Alzheimer-Krankheit ist mit Abstand die häufigste Art der degenerativen Demenz. Jedes Jahr gibt es fast 10 Millionen neue Fälle. Die Krankheit stellt weltweit eine enorme Belastung für Patienten, Familien und Gesundheitssysteme dar und ist bis heute unheilbar.
Ein besseres Verständnis der Art und Weise, wie sich die Krankheit ausbreitet, und die Möglichkeit, sie früher zu erkennen, soll zu besseren Ergebnissen für die Betroffenen und zu Fortschritten bei der Verbesserung der Therapie führen.
Durch die Vervollständigung der Londoner Kenntnisse, die die angehenden Fahrer durch jahrelange Ausbildung in bestimmten „Knowledge”-Schulen erworben haben, lernen Londons Taxifahrer, ohne GPS und automatisierte Anweisungen durch die 58.000 Straßen der Stadt zu navigieren. „Zu verstehen, welche Teile des Hippocampus in Bezug auf die Navigationsfähigkeit größer werden, wird wichtige Erkenntnisse liefern, die erforderlich sind, um Diagnosen zur Früherkennung der Alzheimer-Krankheit zu entwickeln“, erklärt das Taxi Brains Project. „Eine frühzeitige Diagnose wird Ärzten helfen, Patienten früher zu behandeln, die Krankheit zu begrenzen und die Lebensqualität zu verbessern.“
Autor: Wim Faber